Unser Projekt Verstehen
Ein kritisches Wort über ein Regierungsmitglied, ein Lebenswandel, der nicht den Erwartungen gesellschaftlicher Mehrheiten oder der Machthaber entspricht, ein politischer Witz, unbedacht in Gegenwart Fremder erzählt: Zur Zeit der NS-Diktatur konnte solches Verhalten zu einem Strafverfahren vor einem Sondergericht führen, einer ab 1933 mit zunehmenden Befugnissen ausgestatteten Institution, die unter Aushöhlung rechtsstaatlicher Grundsätze zur Durchsetzung und Festigung der Herrschaft der NSDAP maßgeblich beitrug.
In den Jahren 1933 bis 1945 wurden vor dem ehemaligen Sondergericht Mannheim rund 8000 Fälle verhandelt, die heute zum Bestand des Generallandearchivs Karlsruhe gehören. Knapp 700 Fälle des Sondergerichts Freiburg lagern zudem im Staatsarchiv Freiburg. Diese Akten bilden das Ausgangsmaterial des Projekts, das ausgewählte Originaldokumente in enger Verzahnung sowohl wissenschaftlich als auch pädagogisch erschließt, um anschließend eine exemplarische Auswahl zu digitalisieren, wissenschaftlich zu kommentieren und über die Internetplattform Leo-BW allen Interessierten zugänglich zu machen.
Da die inner- und außerschulische Bildungsarbeit und somit junge Menschen eine wichtige Zielgruppe darstellen, sind Schüler*innen des Karlsruher Bismarck-, Goethe- und Helmholtz-Gymnasiums zentral in dieses Vorhaben eingebunden. Als Teilnehmer*innen eines schulübergreifenden Seminarkurses erschließen sie angeleitet Aktenmaterial, dokumentieren ihre Ergebnisse und geben Rückmeldung zu methodisch-didaktischem Material.
So können Schulen, außerschulische Institutionen, aber auch jede*r andere Interessierte Fallbeispiele studieren und Mechanismen von Denunziation und rechtlicher Diskriminierung analysieren. Die Bedeutung einer politisch-ideologisch unabhängigen Justiz und deren Einfluss auf das gesellschaftliche Miteinander werden somit vertieft und das demokratische Bewusstsein gefördert.
Das Projekt wird in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.
Die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) hat den Auftrag, die Erinnerung an das Unrecht der nationalsozialistischen Verfolgung lebendig zu halten, die daraus erwachsende Verantwortung im Hier und Heute anzunehmen und die Zukunft aktiv zu gestalten. Zentrales Motiv der Stiftungsgründung im Jahr 2000 war die Auszahlung humanitärer Ausgleichsleistungen an ehemalige Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen des NS-Regimes – ein Meilenstein der deutschen Aufarbeitung von NS-Unrecht.
Heute fördert die Stiftung über ihre Handlungsfelder Bilden und Handeln konkrete Projekte und Aktivitäten, die den Überlebenden nationalsozialistischer Verfolgung, der Völkerverständigung und der Stärkung von Menschenrechten dienen.
Um die aus den nationalsozialistischen Verbrechen resultierende Verantwortung in zukunftsgerichtete Erinnerungs- und Bildungsformate zu übersetzen, startete die
Stiftung EVZ 2021 auf Initiative und mit Zuwendungsmitteln des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) ein wegweisendes Vorhaben: die Bildungsagenda NS-Unrecht. Durch geschichtsbewusste, Empathie fördernde und aktivierende Vermittlung der Lehren aus der NS-Vergangenheit stärkt die Bildungsagenda NS-Unrecht demokratische Haltungen und wirkt Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und LGBTIQ-Feindlichkeit entgegen. In ihrer Arbeit legt die Stiftung EVZ ein besonderes Augenmerk auf jüngere Generationen.